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AutorenbildNahed Hatahet

Interview: Wertschätzung in Zeiten des Wandels

Aktualisiert: 26. Sept. 2021

Die ganze Welt befindet sich im Wandel. Das Jahr 2021 steht ganz im Zeichen großer Transformationen – nicht nur in der Digitalisierung. Die Digitalisierung sowie COVID haben uns gezeigt, wie wichtig uns das Wohlergehen anderer Menschen und gegenseitige Wertschätzung geworden sind. Der Transformationsexperte Nahed Hatahet sprach daher mit der österreichischen Expertin für Wertschätzung Frau Mag. Manuela Wenger. Sie berät und unterstützt Unternehmen, Organisationen, Führungskräfte sowie Teams bei der Gestaltung und Umsetzung von Wertschätzung in der Unternehmenskultur. Tauchen Sie in diesem Interview ein in die spannende Welt einer großen Wertschätzerin.

Foto © Mag. Manuela Wenger

„Bei manchen Stellen war ich glücklicher und engagierter, bei manchen fehlte mir etwas. Nur wusste ich lange Zeit nicht, dass es die Wertschätzung war, die mir fehlte.“

(Zitat: Mag. Manuela Wenger, Expertin für Wertschätzung)


Nahed Hatahet: Liebe Frau Mag. Manuela Wenger, ich habe Sie auf einer Konferenz bei einer Keynote kennenlernen dürfen und von Ihrem Unternehmen erfahren. Ein bereicherndes Erlebnis. Umso mehr freue ich mich, dass Sie sich Zeit für dieses Interview nehmen. Sie sind in Österreich die Expertin für das Trendthema Wertschätzung. Mit Ihrem Unternehmen „Die Wertschätzerin“ liefern Sie Führungskräften wertvolle Impulse zur Weiterentwicklung von Unternehmenskultur und Mitarbeiter*innen. Wieso ist Ihnen in Ihrem Leben gerade Wertschätzung so ans Herz gewachsen und was sind Ihre Aufgaben in Ihrem Unternehmen?


Mag. Manuela Wenger: Vielen Dank für Ihre Rückmeldung – das freut mich sehr, dass ich Sie mit meiner Keynote inspirieren konnte! Es gibt mehrere Beweggründe, die mich im Laufe meines Berufslebens mit dem Thema Wertschätzung auseinandersetzen haben lassen. Zum einen bin ich im kleinen elterlichen Lebensmittelgeschäft groß geworden. Dort war die oberste Prämisse meiner Eltern, jedem Menschen freundlich zu begegnen, höflich und zuvorkommend zu sein etc. Das war alles zu einer Zeit, wo es lange noch keine Plastikkundenkarte gab. Damals hat man sich mit den Kund*innen unterhalten und hat „Daten“ im Gespräch gesammelt, die wir heute oft auf elektronischer Basis bzw. oft zack, zack bei der Kassa abfragen.


Und zum anderen habe ich dann die Berufswelt als Angestellte kennengelernt und musste feststellen, dass das, was mir meine Eltern beigebracht haben, anscheinend nicht alle Eltern ihren Kindern mitgegeben haben. Ich war über 30 Jahre in nationalen und internationalen Unternehmen in verschiedensten Positionen tätig. Bei manchen Stellen war ich glücklicher und engagierter, bei manchen fehlte mir etwas. Nur wusste ich lange Zeit nicht, dass es die Wertschätzung war, die mir fehlte. Damit meine ich weder die tägliche Lobhudelei noch den wöchentlichen Schulterklopfer oder andere Ideen, die mir immer wieder als Wertschätzungszeichen genannt werden. Da geht es um das Zwischenmenschliche – das, was zwischen den Zeilen liegt, das, was und wie ich es sage, und einiges mehr.

Foto © Mag. Manuela Wenger

„Jetzt sind Führungskräfte mehr denn je gefordert, für das Team da zu sein, für deren Fragen, Ängste, Sorgen oder Nöte ein Ohr zu haben.“

(Zitat: Mag. Manuela Wenger, Expertin für Wertschätzung)


Auf Ihre Frage, was meine Aufgaben sind, kann man das nicht pauschal beantworten. Es kommt immer auf die „Problemstellung“ des jeweiligen Unternehmens an. Manche Firmen möchten eine Inspirations-Keynote für ihre Mitarbeiter*innen, um auf dieses wichtige Thema aufmerksam zu machen. Andere nehmen es als Kick-off für weitere Wertschätzungsmaßnahmen. Eine Firma hat mich mit der Beratung und Konzeptionierung für „Ein Jahr der Wertschätzung“ beauftragt. Andere wollen, dass ihre Führungskräfte Input zum Thema Wertschätzung erhalten, da das Thema unbedingt von „oben“ begonnen werden muss. Also die Beweggründe für meine Arbeit sind unterschiedlich und facettenreich. Sie reichen von der Beratung über eine Keynote bis zu Workshops.


Nahed Hatahet: Der digitale Wandel schreit förmlich nach mehr Menschlichkeit. Das Thema „Unternehmenskultur“ ist in aller Munde. Viele Führungskräfte sind der Meinung, es sei gerade in Zeiten der Digitalisierung zu einem der wichtigsten Themen geworden. Ihr persönlicher Erfolg bestätigt diese Anschauung. Wieso ist das so und wie können Unternehmen und insbesondere Führungskräfte an ihrer Wertschätzung arbeiten? Was hat das mit zufriedenen Mitarbeiter*innen und einer agilen Unternehmenskultur zu tun?


Mag. Manuela Wenger: Ja, unbedingt braucht es beim digitalen Wandel die Menschlichkeit! Und diese beeinflusst die Unternehmenskultur in einem ungeahnten Ausmaß. Stellen Sie sich vor, Sie arbeiten in einem Unternehmen, wo keine gute Stimmung herrscht. Die Leute freuen sich am Montag bereits auf Freitag. Glauben Sie, dass dieses Unternehmen engagierte Mitarbeiter*innen hat und problemlos neue findet? Bewerber*innen kommen zu Unternehmen und rund 60 % verlassen es aber wegen dem/der Vorgesetzten. Und dann stellt sich die Frage, wie diese Firma ein erfolgreiches Recruiting sicherstellt. Die Mitarbeiter*innen, die noch vorhanden sind, werden wahrscheinlich ihre Freund*innen nicht animieren, sich in diesem Unternehmen zu bewerben. Und das gleiche Szenario können Sie dann noch mit den Kund*innen durchspielen: Kund*innen kaufen dort, wo sie sich wohlfühlen, dort, wo sie zuvorkommend bedient werden. Und dann empfehlen sie dieses Unternehmen ihren Freund*innen oder eben auch nicht. Mein Credo ist daher: „Stimmt die Stimmung, stimmt der Erfolg.“ Wenn die Stimmung passt, stimmen die Wertschöpfung, die Mitarbeitersicherung und die Kundenzufriedenheit.


Um zu Ihrer anderen Frage zu kommen, sind gerade jetzt Führungskräfte mehr denn je gefordert, für das Team da zu sein, für deren Fragen, Ängste, Sorgen oder Nöte ein Ohr zu haben. In der Krise beobachten Mitarbeiter*innen ihre Vorgesetzten und werden danach entscheiden, ob sie bleiben oder wechseln. Das hängt davon ab, wie sie sich in Krisenzeiten „aufgehoben“ fühlen.

Foto © Mag. Manuela Wenger

„Bei der Wertschätzung kommt es auf die innere Haltung an. Dazu ist es wichtig, den eigenen Bewusstseinsprozess in Gang zu setzen.“

(Zitat: Mag. Manuela Wenger, Expertin für Wertschätzung)


Nahed Hatahet: Nicht jeder Mensch ist ein wertschätzender Mensch. Für eine effektive Zusammenarbeit sowie Weiterentwicklung der Unternehmenskultur ist Wertschätzung jedoch ein wichtiger Faktor. Sie bieten als Expertin auch Beratung und Firmenseminare dazu an. Sie vertreten selbst die Meinung, dass man alles im Leben lernen kann. Wie kann man nun Wertschätzung lernen? Wie kann man sich so eine wertschätzende Gesprächsbegleitung vorstellen? Wie beraten Sie – und ist der Erfolg für Teilnehmer*innen messbar?


Mag. Manuela Wenger: Ich beobachte, dass im Grunde die meisten Menschen wertschätzend sind. Manche haben vielleicht nie das Gefühl von Wertschätzung erfahren und tun sich deshalb im Leben schwerer, es jemand anderem weiterzugeben. Sie haben recht, man kann es lernen – besser gesagt, man kann es sich aneignen. Lernen verbindet man sehr mit der Aneignung von Tools oder theoretischem Stoff – das ist es aber bei der Wertschätzung nicht. Da gibt es kein Handbuch mit „Befolge Schritt 1 bis Schritt 10“. Bei der Wertschätzung kommt es auf die innere Haltung an. Dazu ist es wichtig, den eigenen Bewusstseinsprozess in Gang zu setzen. Dies gelingt zum Beispiel, wenn man Wertschätzung erfährt und spürt, wie gut sie tut und was sie mit uns macht. Erinnern Sie sich zurück an Ihr schönstes Kompliment – wie haben Sie sich gefühlt?


Ja, und der Erfolg lässt sich auch messen. Gallup hat in einer Studie vorgerechnet, dass Produktivität um 21 % und Rentabilität um 22 % steigen. Zugleich sinken die Krankenstandstage um 37 % und die Fluktuation verringert sich um 65 %. Wenn sich die Stimmung verbessert, stimmen auch die Erfolge, die Leute gehen lieber zur Arbeit und sind produktiver. Wobei: Man sollte dabei den Ansatz nicht missbrauchen, unter dem Motto: „Ich bin nett zu dir, damit du mehr leistest.“ Dies wäre ein zu oberflächlicher Zugang und würde bald aufgedeckt sein.


Nahed Hatahet: Sie bieten auf Ihrer Homepage unter der Rubrik „Mehr Wert“ auch einen kostenlosen Dienst an: Man kann digitale wertschätzende Grußkarten versenden. Sie sagen in Zeiten von „social distancing“ zählt nicht Nähe, sondern mehr denn je die Beziehung. Wie sind Sie auf diese Idee gekommen und was wollen Sie damit bewirken? Sollen Firmen nicht auch genau solche „employee experience services“ anbieten? Welche anderen wertschätzenden Dienste haben Firmen nach Ihrer Beratung bereits umgesetzt?


Mag. Manuela Wenger: Ich habe das früher mit Kolleg*innen im Büro gemacht: Wenn ich mich für etwas bedanken oder einfach nur mal etwas Nettes hinterlassen wollte, hab ich hin und wieder eine handschriftliche Nachricht hinterlassen. Und da diese Wertschätzung in Zeiten von Corona meines Erachtens umso wichtiger ist, hab ich dieses Tool geschaffen. Man muss trotz der räumlichen Distanz in einer Beziehung bleiben. Wir haben in den letzten Monaten viel dazugelernt, wie und was wir machen können. Wichtig ist aber, dass das nicht aufhören darf. Manches soll und darf auch nach der Krise bleiben!


Wer lieber echte Karten verschickt, kann sich auch hier auf meiner Homepage welche bestellen. Zehn Designs für unterschiedliche Anlässe. Der Charme einer Postkarte ist eben, dass ich mir diese auf meine Pinnwand oder auf meinen Schreibtisch geben kann. Natürlich ist das auch ein perfektes Tool für Unternehmen, um die „employee experience“ zu unterstützen. Es gibt auch schon Firmen, die sich dieses Tool zunutze machen – z. B. BMW Deutschland arbeitet bereits erfolgreich mit Feedback-Karten.

Foto © Mag. Manuela Wenger

„Ich bin natürlich gegenüber der Weiterentwicklung in der Digitalisierung aufgeschlossen, bin aber auch der Überzeugung, dass sie nicht zu Lasten der Menschen gehen darf.“

(Zitat: Mag. Manuela Wenger, Expertin für Wertschätzung)


Nahed Hatahet: Das Zeitalter der Digitalisierung und der damit verbundene digitale Wandel ist unbestimmt und erzeugt Unsicherheit. Unternehmen wissen bereits, dass man sich vermehrt um den Menschen und seine Ängste kümmern wird müssen. Wir arbeiten bereits mit virtuellen Kolleg*innen. Künstliche Intelligenz ist ein fester Bestandteil von Software geworden und Menschen haben Angst vor einer Vollüberwachung. Wie gehen Sie persönlich mit diesen Herausforderungen um? Müssen wir Ihrer Ansicht nach wirklich Angst haben und was kann man dagegen tun?


Mag. Manuela Wenger: Diese Frage ist sehr komplex und für mich als „digitaler Otto Normalverbraucher“ auch schwer zu beantworten. Ich bin natürlich gegenüber der Weiterentwicklung in der Digitalisierung aufgeschlossen, bin aber auch der Überzeugung, dass sie nicht zu Lasten der Menschen gehen darf in Form von Vollüberwachung etc. Ich glaube, uns allen wurde in der Corona-Zeit sehr wohl vorgezeigt, wie wichtig und unterstützend Digitalisierung – besonders in solchen Zeiten – sein kann. Sie hat uns aber in manchen Bereichen auch aufgezeigt, dass wir noch gar nicht so weit fortgeschritten waren mit der Digitalisierung, wie wir einst gemeint hatten.


Für mich selbst versuche ich dennoch, immer noch vorwiegend den menschlichen Aspekt vor Augen zu haben. Natürlich bin ich sehr froh, meine Besprechungen, Vorträge und Seminare virtuell fortführen zu können. Gleichzeitig weiß ich aber, dass sie die menschlichen Begegnungen nicht ersetzen werden können. Angst habe ich nur bedingt, solange ich selbst bestimmen kann, wie viel Raum ich der digitalen und der menschlichen Welt gebe.


Nahed Hatahet: Vielen Dank, dass Sie uns ein wenig aus Ihrer interessanten Welt der Wertschätzung mit diesem Gespräch nähergebracht haben, Frau Mag. Manuela Wenger!


Mag. Manuela Wenger: Vielen Dank auch Ihnen für die Zeit, die Sie mir geschenkt haben!

 

Quelle: Publiziert auch in der Computerwelt (CW Fachverlag GmbH) Online am 07.04.2021 | Geführt und erstellt von Autor: Nahed Hatahet


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